Positionen, die den Blick verändern

In der letzten Woche habe ich ganz anregende Gespräche über die Wahrnehmung von Kultur im öffentlichen Raum geführt. Ein vorübergehendes Fazit aus diesen Gesprächen war, dass es einen Unterschied macht, ob ich als Künstler*in oder als Zuschauende auf dieses Thema blicke.


Als Schauspielerin erinnere ich mich an den Prozess, den es braucht, um ein Theaterstück zu entwickeln. Dazu gehört die Auseinandersetzung mit dem Text, den Rollen, Inhalten und Beziehungen, über die der Text erzählt oder zu denen er schweigt. Ich bin Teil eines Ensembles, das Tag und Nacht mit der Entstehung einer Inszenierung zu tun hat, probt, diskutiert, streitet und sich miteinander verbindet. Ich bin Teil von etwas, das geschaffen wird, Teil eines Werkes, eines Ausdruckes und dann Teil einer Aufführung, in der sich Spielende und Zuschauende begegnen. Solche Prozesse haben auch Kunstschaffende aus der Musik, der Malerei und anderen Sparten. Es ist ein Prozess, in den wir so viel hineingeben, indem sich Dinge verändern, erweitern und dann in einem Endprodukt verdichten.


Wenn ich Kunst nicht von dieser Seite kennen würde, würde ich sie dann anders erleben?
Würde ich so oft ins Theater gehen und das so essentiell finden? Würde ich Kultur anders begegnen und anders werten?


Ich schaue ja aus meinem Erleben und meinen Erfahrungen auf die Welt und betrachte so auch Kultur. Obwohl ich ehrlich sein muss und das selber nicht auf andere Künste übertrage. Musik höre ich am liebsten über Spotify, mit Knöpfen in den Ohren beim Spazierengehen oder laut mitsingend im Auto. Auch wenn ich Konzerterlebnisse manchmal vermisse, gehören diese seit meinen Mittdreißigern nicht mehr in mein Erlebnisspektrum.

Als Zuschauerin hatte ich in meinem Leben einige besondere und tief berührende Erlebnisse im Theatersaal und im Konzertraum.
Ich erinnere mich an ein Konzert von Massive Attack beim Hurricane Festival 2003. Ich stand im Regen in einer Menschenmenge und flog innerlich. Zeit und Raum waren aufgelöst und ich habe mich als Teil dieses Ereignisses gefühlt, völlig verbunden und berauscht. Eine unfassbar schöne und unvergessliche Erinnerung.
Genauso gab es diese besonderen Theaterstücke, die ich aus dem Zuschauerraum heraus erleben durfte und die tief in meine Seele gegriffen und etwas in mir verändert haben.

Trotz dieses individuellen Erlebens glaube ich dennoch, dass es bei der Kultur um eine kollektive Erfahrung geht. Egal wie wir es erleben, gehört es zu unserem gesellschaftlichen Grundstein und hält uns Menschen zusammen.

An was erinnert ihr euch? Gab es Erlebnisse als Kulturbetrachtende oder Kulturschaffende, die euch berührt oder sogar verändert haben?

Liebe Grüße
Katrin

6 Kommentare zu „Positionen, die den Blick verändern

  1. Liebe Katrin,
    ich denke es ist eine intensive Art des Austauschs, der Nähe. Nähe – wo fange ich an? Gemeinsame Energie – wenn der Funke überspringt – das merkt man auf der Bühne und davor und man weiß nicht, warum es genau in dem Moment passiert… Es ist gemeinsames Brennen und immer aufeinander Zugehen, aber sich nie berühren – es ist ein sich immer und immer nacheinander Sehnen, eine ewige Bewegung. Und dann die andere Dimension – dass es eben nicht EIN Schauspieler / Musiker und EIN Zuschauer ist, sonder viele Leute, die gemeinsam Zeit und Raum vergessen und sei es nur für einen Moment. Wenn ein Gebet ein gemeinsames Entsenden und Bündeln von Energie ist, dann ist es das: Gebet. Oder Liebe.
    Äh… Klar wie Matsch. 🙂
    Liebe Grüße, Sara.

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  2. Liebe Katrin,
    genau wie du, nehme ich ja häufig eher die Position der Auftretenden, als die der Zuschauenenden ein. Aber ich muss sagen, die intensivsten Auftritte sind die, bei deinen man spürt, dass man das Publikum mitnimmt. Dieses Gefühl lässt sich kaum in Worte fassen. Bei Comedy ist es vielleicht noch am offensichtlichesten, wenn man das Publikum lachen hört. Doch wenn man, wie ich, eher mit emotionalen und ernsten Themen auftritt, dann merkt man das nochmal ganz anders. Es ist als würde man mit dem ganzen Raum eine Einheit, es herscht eine Spannung in der Luft und ich hab dann das Gefühl, dass das Publikum und ich in dem Moment genau das Gleiche fühlen. Wenn ich das so schreibe klingt das ziemlich abgespaced. Wie gesagt, es lässt sich schwer in Worte fassen. Und es fehlt so sehr.
    Danke, dass mich dein Beitrag daran erinnert hat.
    Liebste Grüße
    Birdy

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  3. Liebe Katrin,

    wenn ich an besondere Erlebnisse denke, denke ich als erstes an die Menschen, mit denen ich dort war. In solchen Momenten entstehen gemeinsame Erinnerung. Ich erinnere mich noch genau an ein Konzert von 30 Seconds to Mars 2010 in Düsseldorf. Ich habe meine Freunde mit dem Auto eingesammelt und mich total in der Zeit verschätzt. Wir haben die Vorband komplett verpasst und auch die ersten Songs. Die Musik war auf den Gängen hörbar, wir beeilten uns. Und dann der Moment, als wir in den Saal reinplatzten. Ein bisschen wie bei einer Überraschungsparty mit einer unglaublichen Energie im Saal. Sitzplätze gab es nicht mehr bzw. die Menschen standen einfach überall, rückten näher an die Bühne und wir stellten uns dazu.

    Danke für den Impuls 🙂

    Viele Grüße
    Ann-Christin

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